Gewerbegebiet Fernholte: Trägt Attendorn das Restrisiko?

Rat stimmt für zweiten Bauabschnitt


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 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz

Attendorn. Wenn es nach den Planungen der Stadt Attendorn geht, sollen im neuen Industriegebiet Fernholte insgesamt 26 Hektar neue Gewerbeflächen entstehen. Ein Schritt, der laut mehrheitlicher Meinung der Ratsmitglieder dringend notwendig ist, um den hiesigen Unternehmen Möglichkeiten zur Expansion zu geben. Das Thema stand am Dienstag, 8. November, erneut auf der Tagesordnung in der Ratssitzung.


Bei zwei Gegenstimmen votierten die Kommunalpolitiker dafür, den zweiten Bauabschnitt zur Erschließung des Gebietes im Jahr 2024 umzusetzen. Gegenwehr kommt seit Jahren von der Landesgemeinschaft Natur- und Umweltschutz, die gemeinsam mit der Initiative zur Erhaltung des Eckenbachtals gegen die notwendige Gewässerverlegung kämpft und dazu bereits mehrere Gerichtsverfahren angestrebt hat. Trotz laufender Verfahren war Anfang September Baubeginn im neuen Industriegebiet. Jetzt ging es um den zweiten Bauabschnitt.

Wendelin Heinemann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sprach sich für eine Zurückstellung der Baumaßnahme aus, bis alle rechtlichen Risiken ausgeräumt seien und Rechtskraft bestehe. Heinemann untermalte seine Forderung mit einem Rückblick. Im Jahr 2000 habe die Stadt Attendorn einen neuen Flächennutzungsplan aufgestellt und im Frühjahr 2004 sei die Bevölkerung darüber informiert worden.

Hohe Qualität der Tier- und Pflanzenwelt

„Die frühzeitige Bürgerbeteiligung war eine Aufforderung an die Bürger, Anregungen zum Plan vorzubringen. Als die Einwohner von Neu-Listernohl, Biekhofen und Wippeskuhlen informiert waren, gab es einen Sturm des Widerstandes gegen den Vorschlag, ein Industriegebiet im Eckenbachtal vorzusehen“, so Wendelin Heinemann. Wenige Wochen später seien dem damaligen Bürgermeister Alfons Stumpf 2.319 Unterschriften gegen die Planung überreicht worden.

In den Folgejahren belegten diverse Gutachten, die die Stadt in Auftrag gegeben habe, die hohe Qualität der dortigen Tier- und Pflanzenwelt. Das treffe auch auf Dunkers Quellschnecke zu – ein Millimeter kleiner Organismus, der reinstes und klares Quellwasser anzeige. Der Eigentümer der Fläche, Dr. Ramacher, hatte gegen die befürchtete Enteignung zunächst geklagt und sich 2013 zum Verkauf des Plangebietes an die Stadt entschieden.

Schärfere Prüfkriterien

Anfang 2015 habe laut Heinemann die Landesvereinigung Natur- und Umwelt NRW, deren Mitglied der Eckenbachtal e.V ist, erfolgreich gegen die vom Kreis Olpe erteilte wasserrechtliche Genehmigung geklagt und die Stadt habe die ursprünglichen Planungen zurückgezogen. Die Genehmigung des Kreises zur Gewässerverlegung sei im Dezember 2015 erfolgt.

Dagegen haben die Naturschutzverbände erfolglos geklagt. Die Möglichkeit der Berufung sei genutzt worden. „An diesem Punkt sind wir heute. Rechtskräftig ist die Entscheidung also noch nicht, da ein rechtliches Restrisiko für die Stadt weiterhin besteht.“

Die Prüfkriterien seien schärfer geworden, denn der Klimawandel erfordere ein wirksames Handeln auf allen Ebenen. „Dazu gehört auch die Vermeidung von immer mehr Landverbrauch für neue Industrie- und Gewerbegebiete. Vielmehr ist eine verdichtende und mehrstöckige Bauweise in vorhandenen Industrie- und Gewerbegebieten vorzuziehen“, betonte der Grünen-Fraktionsvorsitzende.

Meinungen der Ratsmitglieder

Uli Selter (CDU): „Wir haben lange für dieses Industriegebiet gekämpft. Hier stellen sich die Weichen für die Zukunft der Stadt.“ Von Seiten der Politik ist klar, dass der Bedarf an Flächen weit über das Gebiet hinaus gehe, damit der Wirtschaftsstandort Attendorn weiter entwickelt werden könne. Alternativen gebe es keine.

Sebastian Ohm (CDU): „Wir haben einen riesigen Bedarf an Flächen. Den Wohlstand zu erhalten, sind wir nachfolgenden Generationen schuldig.“

Gregor Stuhldreier (SPD): „Rückblicke helfen uns nicht. Ich bin auch persönlich betroffen. Mit demokratischen Entscheidungen muss man umgehen können.“

Ralf Warias (FDP): „Ich möchte nicht meinen Kindern/Enkeln erklären müssen, warum wir die gute Vorarbeit nicht fortsetzen. Wir haben uns die Entscheidung damals nicht leicht gemacht.“

Rolf Schöpf (CDU): „Die Entscheidungen sind getroffen. Jetzt gehen wir nach vorne.“

Kevin Risch (SPD): „Es kann nicht unser Interesse sein, das Firmen abwandern und im Ausland bei schlechteren Umweltbedingungen produzieren.“

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