Geschichtskurse des Rivius Gymnasiums besuchen KZ-Gedenkstätte Buchenwald

Attendornerin Dünya Baradari schildert Eindrücke


Die Geschichtskurse des Rivius Gymnasiums Attendorn besuchten das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar. von privat
Die Geschichtskurse des Rivius Gymnasiums Attendorn besuchten das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar. © privat

Die Geschichtskurse des Rivius Gymnasiums haben kürzlich die KZ-Gedenkstätte Buchenwald besichtigt. Die Schüler bekamen unter anderem Fotos und Zeichnungen aus der Zeit des zweiten Weltkrieges zu sehen und erhielten Informationen über das Leben und die Gefangen in einem Konzentrationslager. Außerdem ging es auf Erkundungstour durch die Stadt. Der Erfahrungsbericht von Schülerin Dünya Baradari:


„Vorletzter Donnerstag – für die meisten Schüler des Rivius Gymnasiums suggerieren diese Worte wahrscheinlich nur einen ganz normalen Schultag. Allerdings nicht für uns – die Schüler der Geschichts-Grundkurse der Q2. Nach drei Stunden ordnungsgemäßem Unterricht begaben wir uns nämlich gemeinsam mit unseren Geschichtslehrern, Frau Boecker und Herrn Arriens, auf die schon lange geplante und mit Spannung erwartete Exkursion nach Weimar. Obwohl diese Fahrt jedes Jahr durchgeführt wird, wussten wir dennoch nicht wirklich, was uns erwartete.
Stadterkundung
Der erste Anblick der Stadt sowie unserer Unterkunft, der Europäischen Jugendbegegnungsstätte, war erfreulich. Das Programm mit eigenen Seminarleitern startete auch sofort, denn immerhin befanden wir uns ja auf einer Studienfahrt. Nach einer gemeinsamen Stärkung bekamen wir den restlichen Abend zur eigenständigen Erkundung der Stadt freigestellt. Doch die meisten von uns ergriffen lieber das spontane Angebot einer gemeinsamen Stadtführung, die uns unsere Lehrer anboten, und verbrachten auch danach die restliche Zeit mit ihnen bei einem geselligen Abend.

Der nächste Tag war unserem Hauptthema gewidmet: dem Konzentrationslager Buchenwald, welches nur einige Kilometer außerhalb von Weimar liegt. Zunächst einmal wurden wir dazu aufgefordert, unsere Wünsche und Ängste auszudrücken; während einige ein emotionales Erlebnis erhofften, fürchteten andere „traumatisiert“ wiederzukehren.

Als unser Seminarleiter erkläre, es werde deshalb hauptsächlich mit Fakten gearbeitet werden, kam hingegen die Besorgnis auf, die Thematik könne „zu nüchtern“ angegangen werden. Da wir an dieser auch wirklich sehr interessiert waren, stellten wir erwartungsvolle Fragen, deren Antworten wir innerhalb der nächsten Tage zu erarbeiten suchen wollten.
Emotionale Vorbereitung
„Wie sah der Alltag im KZ aus?“, „Was geschah mit Buchenwald nach Kriegsende?“, „Welche Auswirkungen hat die Geschichte der Stadt für die heutigen Menschen in Weimar?“, „Wie lässt sich radikales Denken heute verhindern?“ sind Beispiele daraus. Doch bevor es zur Gedenkstätte am ehemaligen KZ losging, wurden wir erst einmal darauf vorbereitet – nicht geschichtlich, denn darüber lernen wir ja in der Schule, sondern emotional und persönlich.

In Fotos und Zeichnungen um die Zeit von 1939 bis 1945 sollten wir unsere individuelle Vorstellung von Buchenwald finden und erläutern. (Ich persönlich wählte eine Häftlingszeichnung von angeketteten Menschen in gestreiften Pyjamas, die sich mit fortschreitender Arbeit immer mehr dem Boden annähern und dabei in eine immer menschenunähnlichere und menschenunwürdige Haltung gezwungen werden.)

In ausführlichen Diskussionen erfuhren wir mehr über die Aspekte Buchenwalds, die uns in unseren ausgewählten Bildern besonders interessiert hatten, wie zum Beispiel die Darstellung des KZ Buchenwalds vor NS-Vorgesetzten als sauberer, freier Platz, gegenüber der Realität der Überfülle, die besonders in den letzten Jahren vor Kriegsende herrschte.
Stumpfe Glockenklänge
Daraufhin machten wir uns auf zur Gedenkstätte. Bevor wir jedoch wirklich ankamen, ging es noch über einen kleinen Umweg zum Glockenturm, der unsere Ankunft mit stumpfen Glockenschlägen, die denen einer Totenglocke glichen, begrüßte.

Eine Bronzestatue mit rebellierenden kommunistischen Freiheitskämpfern veranschaulichte einen weiteren Teil der Weimarer Geschichte: die DDR. Es erregte Bedenken, dass in der DDR die erfundene Legende der Befreiung Buchenwalds durch kommunistische Aufständische verwendet worden war, um die antifaschistische Propaganda zu unterstützen, anstatt dem Leid der KZ-Häftlinge zu gedenken. Nur einen winzig kleinen Teil dieses Leidens erlebten wir am eigenen Körper auf dem Ettersberg, und zwar war es hier oben unheimlich kalt, was durch den starken Ostwind (das KZ war nämlich auf der Ostseite gebaut worden) nur noch verstärkt wurde.

Und das, obwohl wir uns im Voraus in dicke, flauschige Jacken, Schals, Handschuhen etc. eingepackt hatten, was es uns umso unbegreiflicher machte, dass überhaupt irgendjemand diese Kälte bloß in gestreiften Pyjamas stundenlang hatte überstehen können. Unsere Führung durch das KZ hingegen dauerte nur höchstens zwei Stunden. Hinein ging es durch ein Tor mit der Aufschrift „Jedem das Seine“. Auch wenn von den Baracken heute nichts mehr übrig ist, sah man doch die Ausmaße des Lagers sowie die noch erhaltenen Krematorien und Bunker.
Folterwerkzeuge erinnern an Schreckenstaten
Hier fanden wir grauenhafte Indizien für einige der Schrecken, die sich darin abgespielt hatten: diverse Folterwerkzeuge, Zangen, mit denen man den Leichen die Goldzähne herausgerissen hatte, ausgebrannte Krematorien. An jedem Ort, an dem wir standen, waren Menschen systematisch wie willkürlich getötet worden.

An diversen Stellen verteilte Rosen und Gedenktafeln zu einigen Ermordeten gedachten der namenlosen Qualen, die so viele Menschen durch die Hände der SS hatten erleiden müssen. Doch die stärkste Aussagekraft hatte das anschließende Museum, da hier unterschiedliche Quellen von Opfern wie Tätern Bruchstücke der Geschehnisse auf einer persönlichen Ebene erzählten.

Während wir Schüler dadurch die Häftlinge als individuelle Menschen kennenlernten, bemerkten wir, wie die Systematik des KZs durch Betrachtung der äußeren Umstände einer Person statt ihrer inneren Persönlichkeit eine Dehumanisierung der Wachmannschaft bewirkt hatte. Nach diesem Tag ging es dann auch erst mal zurück zur Jugendherberge. Gleichzeitig war es aber auch unser letzter Abend in Weimar, weswegen sich viele nach einer gemeinsamen Stärkung wieder aufmachten, Weimar zu erkunden.
Zusammenfassung mit einem Wort
Zuvor jedoch sammelten wir uns alle zu einer Nachbesprechung unserer Eindrücke aus Buchenwald, indem jeder die seinen in einem Wort zusammenfassen sollte. Häufig waren es Begriffe wie „Unverständnis“, „bedrückend“, „Menschlichkeit“ und „herzlos“ (ich wählte „Leichenfabrik“). In anschließenden abendlichen Diskussionen wurde die Thematik noch über das Seminar hinaus anregend erörtert.

Der nächste Morgen brachte uns durch eine Stadtrally mehr mit der kulturellen Stadt Weimar in Kontakt. Je nach Präferenzen ordneten wir uns bestimmten Themengebieten zu, die zu untersuchen es durch das Besuchen verschiedener Orte wie durch das Führen von Interviews galt. Die Interessen reichten von der Weimarer Architektur über die Auswirkungen der NS-Zeit und der DDR auf heutige Weimarer bis zum Besuch des Goethehauses.

Nachdem jede Gruppe ihre Ergebnisse den anderen vorgetragen hatte, ging es schließlich über zum finalen Punkt „Was bleibt von Buchenwald?“. Unsere Raserei durch die Geschichte des letzten Jahrhunderts endete in Organisationen wie der NATO und der EU, unserem Grundgesetz und den Menschenrechten, deren Bedeutung ein Film über Sexismus noch einmal untermalte.
"Prinzipien der Menschlichkeit nicht in Stein gemeißelt"
Nach diesem Abschluss mussten wir leider auch wieder unsere Heimreise antreten, denn uns standen noch vier Stunden Busfahrt bevor. Zu guter Letzt waren wir uns einig, dass sich die Fahrt nach Weimar zwar gelohnt hatte, wir aber auch gerne über zweieinhalb Tage hinaus geblieben wären, um die Stadt mit ihrer komplexen Historik angemessen erkunden zu können.

Was aus Weimar bleibt, ist die Erkenntnis, dass, obwohl durch Erklärungen wie die der Menschenrechte ein Gefühl der Sicherheit bei uns jungen Menschen herrscht, unsere über Jahre hinweg errichteten und etablierten Prinzipien der Menschlichkeit nicht in Stein gemeißelt sind und vor allem in unserer jetzigen Zeit, in der wir so weit fortgeschritten sind, nicht durch Angst und Exklusion der Anderen erschüttert werden dürfen.

Ich persönlich empfehle jedem, einmal ein ehemaliges KZ, und vielleicht auch Weimar, zu besuchen, da die Geschichte an diesen Orten unsere Gegenwart maßgeblich beeinflusst und geformt hat.“
Artikel teilen: