Festessen für bedürftige Menschen in Attendorn: Weihnachten für alle

Ehrenamtliche Helfer und Betroffene im Gespräch


  • Attendorn, 22.12.2019
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Ein wahres Festessen gab es jetzt wieder im Begegnungs- und Sozialzentrum „Lebensfroh“ in Attendorn. von Angelika Brill
Ein wahres Festessen gab es jetzt wieder im Begegnungs- und Sozialzentrum „Lebensfroh“ in Attendorn. © Angelika Brill

Attendorn. Bereits zum dritten Mal in Folge fand jetzt im Begegnungs- und Sozialzentrum „Lebensfroh“ in Attendorn das Weihnachtsessen für wohnungslose Menschen statt. Organisiert wurde es von den Johannitern und Carmen Decker, die als Streetworkerin in Attendorn tätig ist.


Während das Fest der Liebe für die meisten schöne Stunden im Kreise der Familie, heimelige Gemütlichkeit und leckere Gerüche aus der Küche bedeutet, gibt es auch Menschen, für die sich Weihnachten ganz anders anfühlt. Sie stehen am Rande der Gesellschaft und sind sozial isoliert. Das Gefühl der Einsamkeit verstärkt sich in der Weihnachtszeit, und besonders an diesen Tagen wird ihnen bewusst, in welcher Situation sie sich befinden. Um diesen Menschen ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit zu geben, findet das feierliche Essen in Gemeinschaft statt.
Chefkoch übernimmt das Regiment
Geschirrgeklapper ertönt aus der Küche und köstlicher Bratenduft zieht durch den Raum. Stephanus Krämer, der auch in diesem Jahr wieder als „Chefkoch“ das Regiment übernommen hat, wirbelt seit Stunden in der Küche herum. Mit viel Elan und Geschick hantiert er mit Töpfen und Pfannen.

Mit von der Partie sind seine „Hilfsköche“ Christian Veit, Marco Tronicke und Burkhardt Stemmer, die allesamt von der Hilfsorganisation der Johanniter ambulant betreut werden. Dieses Jahr gibt es Schweinebraten mit Pflaumenmus und Zwiebelringen, dazu eine leckere Soße auf Glühweinbasis ohne Alkohol, Rotkohl mit karamellisierten Apfelstücken und Klöße, gefüllt mit Pflaumenmus. Da muss er sich ranhalten, denn es ist ein großer Unterschied, ob für die vierköpfige Familie oder für 30 Personen gekocht wird.
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Festessen für bedürftige Menschen in Attendorn: Weihnachten für alle
In kürzester Zeit sind die Plätze an der weihnachtlich geschmückten Tafel besetzt. Karl-Josef Hammer, Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Attendorn, sowie Dezernent Christoph Hesse bedankten sich für die Einladung zum Essen und überreichten ein „Sauerländer Flachgeschenk“. Mit dabei waren auch Pfarrer Dr. Christof Grote sowie eine Abordnung der Attendorner Vinzenz Konferenz, eine caritativ tätige Männergruppe, die in Not geratenen Menschen, Flüchtlingen und Wohnungslosen hilft.

„Ohne die Vinzenz Konferenz wären wir aufgeschmissen“, so Angelika Gerhard, Sozialarbeiterin vom ambulanten betreuten Wohnen der Johanniter. Ebenso ohne die ehrenamtlichen Helfer. Claudia Schulz, die bei der Tafel aktiv ist und die Kleiderkammer leitet, ist hier für viele die gute Seele und hat stets ein offenes Ohr für die Menschen. 
Offener Austausch in gemütlicher Runde
„Wir sind glücklich, dass die evangelische Kirche uns die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt“, betont Angelika Gerhard. Seit nunmehr drei Jahren findet regelmäßig jeden dritten Mittwoch im Monat ein Gemeinschaftsessen statt, an dem immer ca. zwölf Leute teilnehmen. Angelika Gerhard: „Das Essen ist das Mittel zum Zweck. In einer gemütlichen Runde ist es einfacher, die Menschen zu motivieren, ihre Probleme anzusprechen, um ihnen dann dementsprechende Hilfe und Unterstützung anzubieten. Sie freuen sich sehr auf diesen Tag, so was spricht sich schnell bei den Anderen herum und der Kreis schließt sich“.

„Mit Speck fängt man Mäuse“, lacht Carmen Decker, die eng mit den Johannitern zusammenarbeitet. „Die Annahme der Hilfe wächst bei vielen Menschen. Wir haben Einfluss, wenn etwas reicht oder nicht gut läuft. Und wenn mal jemand querschießt, muss man auch schon mal den Tritt in die richtige Richtung geben“.
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Seit 1998 ist Carmen Decker als Streetworkerin beschäftigt. Sie begleitet und unterstützt hauptsächlich Jugendliche, die ihre Freizeit auf der Straße verbringen, ist für ihre Sorgen und Nöte zuständig. Drogen, Alkohol oder Schulabbruch: Sie kennt das volle Programm.

Stets auf der Seite der Jugendlichen, versucht sie Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. „Mein Leitsatz ist: reden, arbeiten, Perspektiven aufbauen. Sie müssen ihren Weg gehen, ich gehe einfach mit“, schildert sie.

Zusätzlich kümmert sich Decker auf Anfrage der Stadt auch um die Belange der etwa 20 Wohnungslosen, die in Notunterkünften untergebracht sind, ist für sie da und hilft, wo sie kann.
Schicksale lassen einen nicht los
„Im Laufe der Zeit findet man einen Weg, damit umzugehen. Manche Sachen nimmt man schon mit nach Hause, gerade jetzt in der Weihnachtszeit denkt man vermehrt an die Menschen, wie sie die Tage verbringen. Einmal im Dienst, immer im Dienst“, sagt Carmen Decker und schmunzelt. „Wir versuchen, den Menschen eine neue Bleibe zu vermitteln, arbeiten eng mit der Wohnungsgenossenschaft des Kreises Olpe zusammen und haben eine hohe Trefferquote, was Wohnungen angeht“.
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Festessen für bedürftige Menschen in Attendorn: Weihnachten für alle
Peter (49) und Christian (43) gehören zu den 20 Wohnungslosen. Im Gespräch mit LokalPlus berichten sie, wie es dazu kam.

Peter lebt seit drei Jahren in einer Notunterkunft in Attendorn. Von Beruf war er früher Vulkaniseur. Im Laufe der Zeit habe er in verschiedenen Sparten gearbeitet, u.a. für McDonald´s Spielplätze mit aufgebaut. Dann kam er mit dem Gesetz in Konflikt, musste von 2005 bis 2007 in die JVA.
Mit festen Zielen ins neue Jahr
Ab da ging es abwärts. Familiäre Belastungen, das Aus mit der Freundin, der Rausschmiss aus der gemeinsamen Wohnung, keine Arbeit, kein Geld. Er habe aber Ziele für sein weiteres Leben. Wichtig sei ihm ein neues Gebiss, Arbeit finden, eine Wohnung und von den Schulden wegkommen, genau in der Reihenfolge. Weihnachten wird er mit Freunden zusammen verbringen.

Christian lebt seit 2007 in einer Notunterkunft in Neu-Listernohl. Früher war er als Metallarbeiter beschäftigt. Die Beziehung zu seiner damaligen Freundin habe ihn kaputtgemacht, er sei hoffnungslos abgestürzt und nicht auf die Beine gekommen. Keine Arbeit und Geldsorgen hätten dann den Rest besorgt. Er habe keine konkreten Vorstellungen, was sein weiteres Leben angeht: „Es kommt, wie es kommt.“ Heiligabend verbringe er bei seiner Mutter, die in Attendorn lebt.

Zwei Einzelschicksale stellvertretend für viele andere. Sie alle haben ihre eigene Geschichte, die sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt hat.
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