„Es fühlt sich an, als würde jemand mit einem Messer auf mich einstechen“

Ein Gespräch mit einer Endometriose-Betroffenen


  • Attendorn, 02.04.2022
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Svenja Wicker (34) bekam vor fünf Jahren die Diagnose Endometriose. von Tine Schmidt
Svenja Wicker (34) bekam vor fünf Jahren die Diagnose Endometriose. © Tine Schmidt

Attendorn/Kreis Olpe. Es gibt Tage, da geht es ihr gut. Aber es gibt auch Tage, da möchte sie nicht mehr und am liebsten alles aus ihrem Unterleib heraus reißen. Svenja Wicker hat Endometriose, die zweithäufigste gynäkologische Krankheit bei Frauen. Mit LokalPlus hat die junge Frau über ihre Diagnose, ihre Beziehung und Einstellung dazu gesprochen.


„Meine Trulla im Erdgeschoss“ - diesen liebevollen Namen hat Svenja ihrer Endometriose gegeben. „Sie gehört zu mir, ist ein Teil von mir, daher der Name. Ich muss mit ihr leben und so macht es den Umgang ein bisschen leichter.“

Mit 29 bekam die heute 34-Jährige die Diagnose Endometriose. „Endo – was?“, hatte sie damals viele Fragezeichen im Kopf. Bei der Krankheit handelt es sich um Ansammlungen von gebärmutterähnlicher Schleimhaut im Unterleib. Der Verlauf ist bei jeder Frau ganz individuell, ebenso wie die Schmerzen.

Es gehöre zum „Frausein“ dazu

Starke Schmerzen, Blutungen und Übelkeit während der Periode gehörten für sie seit der Pubertät dazu. Anfangs habe sie sich keine Gedanken gemacht. Einen Vergleich, wie es anderen Mädchen geht, hatte sie ja nicht. Auch ihr Frauenarzt sagte, diese Schmerzen gehörten eben zum „Frausein“ dazu. „Irgendwann redet man es sich wirklich ein, dass es normal ist“, sagt die 34-Jährige. „Ibuprofen-Tabletten wurden zu meinen besten Freunden.“

Statt besser wurde es immer schlimmer. So schlimm, dass Svenja Ende 2013 zum ersten Mal ein Krankenhaus aufsuchte. Der Verdacht auf Endometriose wurde erstmals geäußert. Irgendwie habe sie das aber verdrängt und nicht weiter verfolgt.

Für Svenja bedeutet ihre Krankheit Wahrnehmung. von privat
Für Svenja bedeutet ihre Krankheit Wahrnehmung. © privat

Erst ihr sechster Frauenarzt ging näher auf den Verdacht ein und legte der jungen Frauen eine Bauchspiegelung im Krankenhaus nahe. Nur mit dieser Methode könne eine Enodmetriose bestätigt werden, erklärt Svenja. Aber sie verdrängte ihre Probleme weiterhin. „Wenn ich nichts davon weiß, habe ich es auch nicht“, so ihre damalige Einstellung. „Ich habe die Signale einfach ignoriert.“

Das ganze Ausmaß bekam Svenja dann erst 2017 zu spüren. Als ihre Schmerzen so schlimm waren, dass nichts mehr half, wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Ihr Frauenarzt fackelte daraufhin nicht lange und schickte sie ins Endozentrum nach Köln. Eine Bauchspiegelung bestätigte die Vermutung: Endometriose.

Start ihrer „Operationskarriere“

Obwohl sich Svenja darauf eingestellt hatte, war das ein harter Schlag. „Ab da fing meine Operationskarriere an“, erinnert sich die 34-Jährige. Die erste Operation dauerte sieben Stunden. Zu viel hatte sich durch das lange Verdrängen in ihrem Unterleib angestaut.

Die Krankheit und Schmerzen begleiten sie jeden Tag. „Endometriose ist nicht heilbar, man muss lernen, damit zu leben und man kann sie etwas dämpfen.“ Sie erzählt, dass es auch gute Tage gebe. „Es ist nicht so, dass ich aufwache und denke `Hallo Endo`. Nein, an manchen Tagen merke ich auch nur ein leichtes Ziehen, was für andere vielleicht die normalen Regel-Schmerzen sind.“

Aber dann sind da eben auch die anderen Tage. Die, an denen Svenja einfach nur weinen und sich verkriechen möchte, an denen sie nicht weiß, wie sie aus dem Bett kommen soll. „Dann habe ich einfach keine Lust mehr. Es zerrt schon sehr an einem.“

Svenja hat bereits vier Operationen hinter sich. von privat
Svenja hat bereits vier Operationen hinter sich. © privat

Oft musste sie Dinge absagen, oft habe sie gelogen. „Ich möchte nicht die sein, die immer was hat“, sagt die junge Frau. Gerade ihrem Mann gegenüber habe sie oft ein schlechtes Gewissen. Seit 2011 begleitet er Svenja auf ihrem Weg mit der Krankheit. Von anderen Frauen weiß sie, wie stark Endometriose die Beziehung beeinflussen kann.

„Es macht etwas mit einer Beziehung. Man hat eben nicht das normale Liebesleben“, gesteht Svenja. „Mein Mann ist großartig, ich kann mich sehr glücklich schätzen. Er ist verständnisvoll, nimmt mir viel ab und wir sprechen offen über alles“, sagt sie. Oft leide er mit ihr.

Kinder bekommen ist nicht immer ausgeschlossen

Aber ein Thema bleibt: der Kinderwunsch. Svenjas Gebärmutter ist betroffen, eine natürliche Befruchtung gar unmöglich. Svenja erklärt, dass es nicht prinzipiell für Frauen ausgeschlossen sei, Kinder zu bekommen, aber es eben deutlich schwieriger und die Angst bei jeder Frau da ist. „Du bist nur bei diesem einem Thema und wenn du zu verkopft bist, klappt es sowieso nicht.“

Die Schmerzen, Operationen, Kinderwunsch, das alles ist nicht einfach alleine zu verkraften. Die Attendornerin ist in Psychotherapie. Ihre Freunde und Familie verstehen und akzeptieren ihre Probleme. Aber dennoch können sie nicht alles auffangen und manchmal braucht es eben eine neutrale Person.

Krankheitsbild noch nicht angekommen

Sie probierte sämtliche Möglichkeiten aus: Akupunktur, Physiotherapie, Hormonbehandlungen Osteopathie, Massagen – nichts half. „Ich war voller Wut, was ich alles zahlen musste, nur um mir irgendetwas Gutes zu tun“, so Svenja. Sie beantragte den Grad der Behinderung und erhielt nach langem Prozess 50 Prozent.

Svenja ist der Ansicht, dass die Krankheit in der Gesellschaft und auch bei der Bundesregierung noch immer nicht richtig angekommen ist. Daher ist es ihr wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten, über die Krankheit, die jede zehnte Frau betrifft: “Starke Menstruationsschmerzen sind nicht normal und sollten viel ernster genommen werden.“

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