Droht der Stadt Attendorn demnächst der finanzielle Kollaps?
Keine Steuererhöhungen
- Attendorn, 10.11.2022
- Politik
- Von Nicole Voss
Attendorn. Deutlich verhaltener als in den Vorjahren gab Bürgermeister Pospischil in der Ratssitzung am Mittwoch, 9. November, einen Ausblick auf den Haushalt 2023 der Hansestadt Attendorn.
Im Ergebnisplan klaff zwischen den Erträgen in Höhe von 77 Millionen Euro und den Aufwendungen in Höhe von 91 Millionen Euro eine Lücke von voraussichtlich 14 Mio. Euro. Werden davon, wie derzeit in NRW vorgeschrieben, die Corona- und -kriegsbedingten Aufwendungen in Höhe von 6,7 Mio. Euro isoliert, verbleibt immer noch ein negatives Jahresergebnis von 7,4 Mio.
Mit einem noch größeren Defizit sei im Finanzplan zu rechnen. Hier werden voraussichtlich Einzahlungen in Höhe von 81,2 Millionen Euro Auszahlungen in Höhe von 112,9 Millionen Euro gegenüberstehen. Der Haushaltsentwurf geht von einem Gewerbesteueraufkommen in Höhe von 33 Millionen Euro aus.
Der von der Hansestadt zu entrichtende Anteil an der Kreisumlage sinkt von 42 Mio. Euro im Jahr 2022 auf 37 Mio. Euro im nächsten Jahr. Die Kreisumlage steigt jedoch insgesamt um rund 11 Millionen Euro auf 148 Millionen Euro an. Innerhalb der letzten 20 Jahre hat sie sich damit nahezu verdreifacht.
„Der Kreis Olpe muss endlich das Wachstum seiner Ausgaben vor allem im Personalbereich stoppen und alle Sparpotenziale heben, die er heben kann. Der Ballast der Kreisumlage wird das Boot der Kommunen ansonsten langsam, aber sicher unter Wasser drücken“, mahnte Bürgermeister Pospischil.
Die Folgen lassen sich im nächsten Jahr durch die guten Haushaltsergebnisse der Vorjahre verarbeiten. Der Haushaltsausgleich kann durch die Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage fiktiv abgebildet werden. Auch das Liquiditätsdefizit kann laut Bürgermeister Christian Pospischil, in Teilen durch Überschüsse in den Vorjahren gedeckt werden.
„Sicher ist jedoch, dass solche Fehlbeträge zwar einjährig abgedeckt werden können, dass sie jedoch in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren zum Kollaps der bisher solide aufgestellten Haushaltswirtschaft der Hansestadt Attendorn führen werden.
Schon im nächsten Jahr werden Liquiditätsengpässe voraussichtlich nur mit hohen Kreditierungen zu überbrücken sein. Der Schuldenstand der derzeit faktisch schuldenfreien Stadt Attendorn könnte dabei innerhalb nur eines Jahres mit über 20 Mio. Euro Neuverschuldung eine Höhe wie zuletzt in den 90er-Jahren erreichen“, prognostizierte das Stadtoberhaupt.
Trotzdem sei vorgesehen, die Steuersätze sowohl für die Grund- als auch für die Gewerbesteuer auf dem bisherigen Niveau zu belassen. Damit sei Attendorn weiterhin eine der fünf Kommunen in NRW mit den niedrigsten Steuersätzen. Im Vergleich zur Anwendung der fiktiven Hebesätze verzichtet Attendorn auf Steuereinnahmen in Höhe von 3,5 Mio. Euro.
Die Stadt verzichte auch weitgehend auf Gebührenerhöhungen trotz zu erwartender hoher Defizite, investiert weiter und trägt dazu bei, dass die Nachfrage in verschiedenen Branchen erhalten bleibt, kürzt trotz der Defizite nicht bei Zuschüssen und spart somit nicht bei Vereinen, Kultur, Sport und sozialen Initiativen.
„Die großen Herausforderungen in den nächsten Jahren werden wir vor dem Hintergrund knapperer Kassen zu bestehen haben. Wir wissen nicht, wie lange die wirtschaftliche Durststrecke dauern wird, wir wissen nicht einmal, ob es nur eine Durststrecke wird oder ob unsere wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig geschädigt werden“, so der Bürgermeister.
Es sei mit deutlich sinkenden Steuereinnahmen vor allem bei der Gewerbesteuer zu rechnen. Gleichzeitig steigen die Kosten für so manches Bauprojekt in einer Größenordnung um die 20 Prozent. Die Energiepreise steigen. Allein für die städtischen Immobilien sei im nächsten Jahr mit Mehrkosten von über einer Million Euro zu rechnen.
„Es droht mehr als ein vorübergehender Konjunktureinbruch. Konsolidierung ist also das Gebot der Stunde. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir eine haushaltspolitische Vollbremsung hinlegen sollten“, so Christian Pospischil.
Signifikante Investitionen
- Erwerb von Grundstücken: 12 Millionen Euro
- Bau einer Obdachlosenunterkunft: 1,7 Millionen Euro
- Schaffung von Unterkünften für Asylbewerber: 800.000 Euro
- Brand- und Bevölkerungsschutz: 5 Millionen Euro
- Klimaschutzmaßnahmen: 2 Millionen Euro
- Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED: 300.000 Euro
- Investitionen in die Schulen: 7,5 Millionen Euro
- Verkehrs- sowie Ver- und Entsorgungsinfrastruktur: 20 Millionen Euro
- Bau des Bürgerparks: Zusätzlich 700.000 Euro
- Umbau Feuerwehrhaus Dünschede: 600.000 Euro
- Erschließung Industriegebiet Fernholte-Eckebach: 12 Millionen Euro