Das Osterbrauchtum in Attendorn ist einmalig

Semmelsegnen, Kreuze vermessen, Osterfeuer auf den vier Köpfen


  • Attendorn, 16.04.2019
  • Von Barbara Sander-Graetz
    Profilfoto Barbara Sander-Graetz

    Barbara Sander-Graetz

    Redaktion

Topnews
Die Semmelsegnung zieht alljährliche Tausende von Besuchern an. von Barbara Sander-Graetz
Die Semmelsegnung zieht alljährliche Tausende von Besuchern an. © Barbara Sander-Graetz

Attendorn. Das Osterbrauchtum in Attendorn ist weit über die Region hinaus bekannt und einzigartig. Um 1870 organisierten sich die vier Osterfeuervereinigungen, die auch heute noch bestehen und sich nach den ehemaligen Stadttoren benennen: Ennester-, Kölner-, Niederstes- und Wassertor (oder Plattdeutsch „Pote“). Sie sorgten und sorgen dafür, dass die Abläufe für ein gutes Feuer (Guet Fuer) von Generation zu Generation weiter gegeben werden.


So wird es auch in diesem Jahr wieder das Semmelsegnen mit tausenden Menschen geben, das Kreuze schlagen und vermessen sowie die vier Osterfeuer auf den vier Köpfen der Stadt an Abend des Ostersonntags.

Direkt nach Karneval treffen sich die Poskebrüder der vier Porten jeden Samstag, um Holz zu stellen für ihre Osterfeuer. Hierbei wird vor allem Laubholz verwendet. Die Äste werden zu „Bürden“ von rund einem Meter Länge zusammengelegt und dann mit Draht gebunden. Anschließend werden sie zum Feuerplatz geschafft und zum Trocknen aufgestellt.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
In die heiße Phase geht es am Gründonnerstag. Wenn an diesem Tag während des Abendgottesdienstes die Orgel und die Glocken verstummen und „nach Rom fliegen“, beginnt das eigentliche Osterbrauchtum in Attendorn. So werden am Karfreitag und Karsamstag „die Stunden geblasen“. Dabei sind vom Kirchturm der Pfarrkirche zwei lang anhaltende Töne zu hören, die im Oktav-Intervall auf einem alten Nachtwächterhorn in alle vier Himmelsrichtungen geblasen werden. Gleichzeitig ziehen Messdiener mit sogenannten Ratschen, die ein weit hörbares Geräusch verursachen, um die Kirche. Ebenso laufen in der Karwoche die Vorbereitungen zur Herstellung der Ostersemmeln auf Hochtouren.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Der „Ostersemmel“, dessen Teig mit Kümmel durchsetzt ist, hat an den beiden Enden je einen Einschnitt, so dass sich zwei „Hörner“ bilden. Die Form erinnert an die Schwanzflosse eines Fisches, das Erkennungszeichen der Frühchristen. Diese besonderen Semmel werden am Karsamstag um 14 Uhr an der Nordseite der Pfarrkirche gesegnet. Seit dem Jahre 1658 ist dieser Brauch nachweisbar und hat sich, in der Tradition der mittelalterlichen Brotsegnung stehend, in Attendorn erhalten. Der Semmel wird traditionsgemäß mit Butter und Knochenschinken gegessen.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Nach dem Semmelsegnen gehen die Poskebrüder der vier Attendorner Porten in den Stadtwald oberhalb der Hubertushütte, um die Fichten für die Osterkreuze zu schlagen. Diese wurden tags zuvor in Augenschein genommen und jede Porte ist sich sicher, das ist der größte, dickste, kurzum der beste Baum für das Osterkreuz auf ihrem Kopf.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
An Karsamstag ziehen die Poskebrüder los, um genau diesen Baum mit Axt und Säge zu fällen. Um 15 Uhr, pünktlich mit dem Blasen des Horns, setzen die Poskeväter der vier Porten zum ersten Schlag an. Dann ist Muskelkraft und Augenmaß gefragt, um den Baum zu fällen und unbeschadet zu Boden zu bringen.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Dieser wird später gegen 17 Uhr unter den Augen und dem Applaus zahlreicher Gäste mit Muskelkraft auf den Alter Markt gefahren. Die Poskebrüder singen dabei das Poskelied. Herbert Lenninger zückt schließlich sein Maßband und vermisst die Fichtenstämme. Dann wird verkündet, wer den dicksten und längsten Stamm für das Osterkreuz geschlagen hat. Danach ziehen die vier Porten auf ihre jeweiligen Osterköppe.

Bevor das Osterkreuz am Ostersonntag aufgerichtet wird, muss es mit Langstroh umwickelt werden, was eine besondere Fertigkeit voraussetzt.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Die vier Osterkreuze werden mit dem Feuer der Osterkerze am Ostersonntag um 21 Uhr angezündet. Das Zeichen zum Anzünden der Feuer wird von der Pfarrkirche aus gegeben, indem das Kirchturmkreuz elektrisch beleuchtet wird und das Geläut aller acht Glocken ertönt. Ein schlecht brennendes Osterfeuer wird „Dümmelfeuer“ genannt und gibt Anlass zu heftigen Diskussionen bei den Kindern. Während des Osterfeuers schwenken etliche Kinder und Jugendliche ihre Holzfackeln. Eine solche Fackel besteht aus einem geraden Holzpfahl, der in der Längsrichtung mehrfach gespalten („geburkt“) ist. Die Fackel verjüngt sich konisch im unteren Teil und endet in einem kugelartigen Griff. Die getrockneten Fackeln werden mit zwei Händen um den Kopf geschwungen, so dass sie kreisförmige Feuerringe beschreiben.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Ungefähr eine halbe Stunde nach dem Anbrennen der Osterfeuer ziehen von den ehemaligen Stadttoren (Porten) vier Prozessionen durch die mit Kerzen geschmückten Hauptstraßen zur Kirche. Dabei sind die uralten eisernen Prozessionslaternen („Lüchten“) hervorzuheben, deren Verglasungen aus Ostermotiven bestehen. Auf dem gesamten Weg wird von den Prozessionsteilnehmern immer wieder das Lied „Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstanden“ gesungen.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Den Abschluss der Ostertage in Attendorn bildet die feierliche Osterabendandacht im „Sauerländer Dom“, wobei die vier „Lüchten“ wie die Osterfeuer als Zeichen des Sieges über Leben und Tod, als Symbol des Sieges des Lichtes über die Dunkelheit zu verstehen sind.
Artikel teilen: