Attendorner reinigen 14 Stolpersteine in der Innenstadt

Putzen gegen das Vergessen


  • Attendorn, 03.11.2018
  • Von Barbara Sander-Graetz
    Profilfoto Barbara Sander-Graetz

    Barbara Sander-Graetz

    Redaktion

"Geh Denken": Die 14 Stolpersteine in der Hansestadt wurden gereinigt. von Barbara Sander-Graetz
"Geh Denken": Die 14 Stolpersteine in der Hansestadt wurden gereinigt. © Barbara Sander-Graetz

Attendorn. Jeder ist schon mal über sie oder an ihnen vorbei gelaufen: Die glänzenden 14 Stolpersteine, die an die Vertreibung und Ermordung von Juden in der Zeit des Nationalsozialismus erinnern, sind an vier Stellen in Attendorn verlegt worden. Einmal im Jahr werden sie im Rahmen der Aktion „Geh Denken“ gereinigt. So auch am Freitag, 2. November.


„Die Messingplatten müssen von Zeit zu Zeit gereinigt werden“, erklärt Hartmut Hosenfeld, der hinzufügt: „Gleichzeitig kann damit das Gedächtnis der Bevölkerung aufpoliert werden.“ Gut ein Dutzend Männer und Frauen hatten sich an der ersten Station des Tages vor dem Drogeriemarkt „Rossmann“ eingefunden. Hier liegen fünf Stolpersteine, die an die Familie Stern und Cohn erinnern. Mit Schwamm, Reinigungsmittel und Wasser wurden die Steine auf Hochglanz poliert.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Hartmut Hosenfeld, der seit über 40 Jahren das Leben der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Attendorn erforscht, erzählt aus dem Leben von Hermann, Emilie, Emil und Betty Stern sowie Erna Falk.  Unterstützt wird er dabei von Tom Kleine, dem Betreiber der Homepage www.juedisch-in-attendorn.org und Mitarbeiter der Hansestadt.
 von Barbara Sander-Graetz
© Barbara Sander-Graetz
Die nächste Station führte in der Niedersten Straße. Hier liegen drei Stolpersteine, die an Karl, Paula und Hella Ursel erinnern. Auch hier hat Hartmut Hosenfeld einiges zu erzählen. So leitete Karl Ursell zusammen mit seiner Frau das Textilwarengeschäft Karl Ursell. Er war jahrelang Stadtverordneter, Kassierer und Schriftführer bei der Attendorner Freiwilligen Feuerwehr und seit Gründung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft deren ehrenamtlicher Geschäftsführer. Trotz allem Ansehen und aller Verdienste um die Stadt wurde er 1942 zusammen mit seiner Frau deportiert. Auch Tochter Hella verstarb im Konzentrationslager.
Bildergalerie starten
Attendorner reinigen 14 Stolpersteine in der Innenstadt
„Der Termin im November wird alljährlich nicht zufällig ausgewählt“, erklärt Hartmut Hosenfeld, „denn er liegt um die Jahrestage der Novemberpogrome vom 9. und 10. November 1938. An diesen beiden Tagen wurden wie im gesamten Land auch die jüdischen Mitbürger Attendorns zu Opfern der von den Nationalsozialisten von langer Hand geplanten Übergriffe.“

An der dritten Stelle Am Gerbergraben / Bleichergasse wurden die beiden Steine von Lothar Guthmann und Helene Hildegard Taitel, geborene Guthmann  geputzt. Die Geschwister wurden in Attendorn geboren. Beide wurden deportiert. Wolf-Werner, der älteste Bruder, erhielt 1939 ein Ausreisevisum nach Australien. Er war zu der Zeit 15 Jahre alt. Seine Eltern und die beiden jüngeren Geschwister wurden nach dem deutschen Überfall auf Polen in das Ghetto Dombrowa bei Auschwitz „umgesiedelt“. Die Familie Taitel ist entweder in Dombrawa oder in Auschwitz zu Tode gekommen.
Bildergalerie starten
Attendorner reinigen 14 Stolpersteine in der Innenstadt
Als letzte Gedenkstätte wurden den vier Stolpersteinen von Else, Günter, Jakob Herbert und Martha Ursell an der Kölner Straße zu neuem Glanz verholfen. Ihnen gehörte die Firma A.A. Ursell. Nach der Zerstörung ihres Besitzes während des  Novemberpogroms entschloss sich Else Ursell zur Auswanderung, was ihr allerdings trotz Vermögen und einer Wiederheirat nicht gelang. Sie und ihre Söhne Günter und Jakob Herbert entkamen der Naziherrschaft nicht. Gleiches galt für ihre Schwägerin Martha, ebenfalls Gesellschafterin der Firma A. A.Ursell. Zusammen mit Ehemann Julis hatte sie drei Kinder, die mit Hilfe einem Kinder- bzw. Jugendtransport nach England dem Naziterror  entkamen und überlebten. Sie gingen später in die USA, wo sie mittlerweile verstorben sind. Marthas Enkelkinder stifteten die Stolpersteine an der Kölner Straße.
Artikel teilen: